Venetische Villen – überall in den Ortschaften des Veneto kann man sie entdecken. Mal klein aber fein, mal fast schon ein Palast, sehr häufig ziemlich heruntergekommen, aber immer ist der Prunk des Bauwerks noch deutlich zu erkennen.
Über mehrere Jahrhunderte hinweg gönnte sich Venedigs High Society die ein oder andere nette Villa im Landesinneren, um dort die heißen Sommermonate zu verbringen und rauschende Feste zu feiern. Vor allem entlang der Brenta reihen sich die prächtigen Gebäude wie Perlen an einer Kette, wodurch diese Gegend auch Riviera del Brenta genannt wird. Aber auch im malerischen Umland vor Vicenza oder in den Euganeischen Hügeln finden sich einige extravagante Exemplare.
Für die Villen wurden nicht selten die besten Architekten, Maler und Bildhauer angeheuert. Zu jedem der schicken Bauten gehört außerdem ein mal mehr und mal weniger großer Park. Einige der mehreren tausend Exemplare sind noch heute privat bewohnt, andere (wenige) sind für die Öffentlichkeit zugänglich.
Die schönsten davon haben wir besichtigt, sie sollen euch hier vorgestellt werden.
Ich beginne von Venedig aus gesehen in Richtung Landesinneres nach Stra. Nach einem Abstecher in die Euganeischen Hügel geht es nach Norden ins Umland von Vicenza.
Viele der Villen und Parks sind nur in den warmen Monaten geöffnet und machen Mittagspause – unbedingt vorher informieren!
Die angegebenen Kosten beziehen sich auf den Vollpreis, Stand Frühling 2020.
Villa Foscari „La Malcontenta”, Mira
Villa Pisani „La Nazionale”, Stra
Castello del Catajo, Bataglia Terme
Villa Contarini, Piazzola sul Brenta
Villa Almerico Capra „La Rotonda”, Vicenza
Villa Valmarana ai nani, Vicenza
Villa Foscari „La Malcontenta”, Mira
Wir beginnen direkt mit einem sehr klassischen Beispiel einer venetischen Villa. Um 1550 ließ sich die Adelsfamilie Foscari einen Landsitz bauen, und zwar direkt an der Lagune an einem Brentakanal. So konnte man die Villa bequem per Schiff von Venedig und von Padua aus erreichen. Architekt war kein geringerer als Andrea Palladio, einem der bedeutendsten Architekten der italienischen Renaissance. Zwei der wichtigsten Kirchen Venedigs wurden von ihm gebaut: San Giorgio Maggiore und Il Redentore.
Die Villa zeigt für Palladio ganz typische Baumerkmale. Besonders an der Fassade fallen Proportion und Symmetrie der geometrischen Formen auf. Die Hauptfassade ist samt Säulenloggia und Tympanon antiken Tempeln nachempfunden
Im 1. Weltkrieg diente die Villa als Lazarett und danach verschiedenen anderen Zwecken, bis sie Ende des 20. Jahrhunderts von ihrem heutigen Besitzer, dem Conte Foscari, zurückerworben wurde.
Die Innenräume samt Fresken und historischer Einrichtung können besichtigt werden, aber Fotos durften wir leider nicht machen.
Für den Namen La Malcontenta – “die Unzufriedene” gibt es verschiedene Erklärungen. Er könnte von den unzufriedenen Bauern der umliegenden Dörfer herführen, die sich wohl zu verschiedenen Gelegenheiten über Venedig, Padua oder auch größere Unwetter beschwerten. Oder aber von einer in die Villa verbannten Adelsdame, die hier ihr Dasein fristen musste.
Kosten: 10€
https://www.lamalcontenta.com/index.php/it/
Villa Pisani „La Nazionale”, Stra
Auf halber Strecke zwischen Padua und Venedig befindet sich in Stra eine der prächtigsten Villen der Umgebung. Dem Stil her ist sie allerdings keine typisch venezianische Villa, sondern eine barocke Schlossanlage nach keinem geringeren Vorbild als Versailles.
Anfang des 18. Jahrhunderts wurde der Bau von der venezianischen Adelsfamilie Pisani in Auftrag gegeben. Richtig in Schwung kam die Umsetzung, als Alvise Pisani 1735 zum Dogen von Venedig gewählt wurde. In späterer Zeit nächtigte hier Napoleon Bonaparte, später auch eine ganze Reihe andere Fürsten, Zare und Könige. Schließlich ging das Schloss in italienischen Staatsbesitz über und diente unter anderem dem Treffen von Mussolini und Hitler im Jahr 1934 als Schauplatz.
Heute befindet sich in der Villa ein sehenswertes Museum mit originaler Ausstattung und wundervollen Deckengemälden. Der riesige Park lädt zum Lustwandeln zwischen Gartenhäusern, Labyrinth, Wasserbecken und Orangerie ein.
Ausführlich habe ich bereits in diesem Artikel über unseren Besuch in der Villa berichtet.
Kosten Villa & Park: 10€
http://www.villapisani.beniculturali.it/
Wer von Padua mit dem Fahrrad kommt, kann auf halbem Wege die Villa Giovanelli Colonna entdecken. Leider wird die noch restauriert und ist daher (noch?) nicht öffentlich zugänglich.
Castello del Catajo, Bataglia Terme
Diese Villa wurde in den 1570er Jahren von der Adelsfamilie Obizzi erbaut und erweiterte das bereits vorhandene Casa di Beatrice.
Auffällig ist ihr burgartiger Charakter, der von den ziemlich glatten und verschlossenen Mauern und den krönenden Zinnen herführt. Das gibt vor allem mit den Euganeischen Hügeln im Hintergrund ein beeindruckendes Bild ab.
Wer zum Tor der Villa eintritt, sieht zu seiner Linken direkt einen tiefer gelegten, großen, leeren Innenhof. In der Führung erfährt man dann die beeindruckende Info: hier wurden Theater und Wettspiele ausgeführt und sogar das Becken mit Wasser geflutet, um inszenierte Seeschlachten abzuhalten! Vom Innenhof aus geht es weiter über flache Treppen – auch für Pferde geeignet – zur großen Dachterrasse, die schon damals Schauplatz für luxuriöse Abendevents mit Blick in alle Himmelsrichtungen war. Innen konnten wir unter den zahlreichen, sehr gut erhaltenen Fresken über die Familiengeschichte der Obizzi sogar das Sächsische Wappen entdecken. Was es da für politische Verwicklungen gab, konnte ich allerdings nicht herausfinden. Leider durften im Innenraum keine Fotos gemacht werden.
In dem schattigen Park liefen wir einigen Gärtnern über den Weg. Valentina und Victoria ließen gleich ihren Charme spielen und durften auf dem Traktor herumklettern!
Kosten: 9€
https://www.castellodelcatajo.it/en/
Villa Barbarigo, Valsanzibio
Wer sich dem Park am Fuße der Euganeischen Hügel nähert, kommt direkt am Portal des Diana-Pavillons vorbei. Davor befindet sich ein Wasserbecken. Es deutet die ehemaligen Wasserzufahrt zur Villa an. Der Wasserweg bis hierher führte durch das Tal des Heiligen Eusebius, daher der Name ValSanZibio (Tal – valle). Hinter dem Tor lässt sich schon eine vielversprechende Abfolge von künstlichen Teichen, Springbrunnen und Wasserfällen erahnen. Der heutige Besucher betritt den Park aber trockenen Fußes ein Stück weiter hinten.
Errichtet wurde das Anwesen in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts von Francesco Barbarigo und seinen Söhnen und ist bestens erhalten. Das Haus ist im Privatbesitz und kann leider nicht besichtigt werden, dafür bietet der Park eine Menge Sehenswertes. Einer der Söhne, Gregorio (später heiliggesprochen) entwarf mit Luigi Bernini (dem Bruder des deutlich bekannteren Gian Lorenzo Bernini aus Rom) einen komplett symbolisch durchdachten Park. Beim Durchschreiten des Gartens begibt man sich auf den Weg von der Unwissenheit des Menschen hin zur Wahrheit und Offenbarung Gottes: der sogenannte „Purifikationsweg“. Jedes Detail, jede Statue, jeder Brunnen und jeder noch so kleine Pfad hat eine ganz bestimmte Bedeutung und ist an einem ganz bestimmten Platz angeordnet. Dieser Abfolge entsprechend muss man den Garten durchgehen, um die gesamte Symbolhaftigkeit nachvollziehen zu können. Dafür benötigt man allerdings auch das Informationsblatt des Parks, das es glücklicherweise in mehreren Sprachen gibt, und am besten noch ein fundiertes Grundwissen in antiker Mythologie und Ikonographie.
Im ganzen Garten verteilt finden sich Skulpturen, Teiche mit Fischen, Schwänen und Schildkröten, ein großes Buchsbaumlabyrinth mit Türmchen im Ziel und zahlreiche Wasserspiele. Ein Brunnen sprudelt in ganz bestimmtem Rhythmus, der es dem geschickten Besucher ermöglicht, auf die Bank hinter den Wasserfontänen zu gelangen.
Die Kanincheninsel „symbolisiert die Situation aller Menschen zwischen den Grenzen von Raum und Zeit“, heißt es auf dem Infoblatt. Tatsächlich werden die räumlichen Grenzen hier recht deutlich: Kaninchen hoppeln über eine karge Insel, umschlossen von einem Wassergraben. In der Mitte ein kleiner Pavillon mit vergitterter Kuppel, in der Papageien krächzen.
Ich persönlich fand die Statue der Zeit toll. Chronos, der Gott der Zeit, steht gebückt unter der Last der Jahre: einem Körper mit 12 Oberflächen für die Monate. Samt Sanduhr und Flügeln schaut dem Sonnenuntergang entgegen – Carpe diem!
Im Park gibt es sogar eine Einsiedlerhöhe, in der nie ein Einsiedler gelebt hat! Alles nur schöner Schein zum seelischen Erwachen.
Am Ende gelangt man dann zur großen Freitreppe, die zur Villa führt. Die Villa kann leider nicht besichtigt werden. Die Stufen der Treppe sind aber geschmückt mit einem Sonett, auf dem die Symbolhaftigkeit des Gartens noch einmal aufgeschlüsselt wird. Von dort kann man noch einen guten Blick auf den Offenbarungsplatz vor der Villa samt allegorischer Figuren werfen.
Hier ist man schließlich an der vollendeten Erleuchtung angekommen. Nach dieser ausführlichen Seelenreinigung gibt’s nebenan an den Stallungen noch etwas für das leibliche Wohl.
Natürlich kann man den wunderschönen Park aber auch ganz ohne inhaltliche Auseinandersetzung auf sich wirken lassen. Einige große Wiesen laden zum Picknicken ein. Wir waren zufällig zu Pasquetta (Ostermontag) da und erlebten das italienische Osterpicknick in seiner schönsten Form (mehr dazu hier).
Kosten: 11€
https://www.valsanzibiogiardino.com/
Villa Contarini, Piazzola sul Brenta
Auch dieses Gebäude ist mehr Schloss als Villa: auf 180 Metern Länge ein Saal neben dem anderen, wird es der venezianischen Adelsfamilie Contarini gerecht, die im Laufe der Zeit mehrere Dogen hervorgebracht hat. Bis dahin war es aber ein weiter Weg. Die Vorläufer des Gebäudes waren wohl eine mittelalterliche Burg, später ein Bauernhaus. Im 16. Jahrhundert wurde dann das schicke Hauptgebäude errichtet und im folgenden Jahrhundert durch die beiden prächtigen Seitenflügel erweitert.
Der große halbkreisförmige Platz vor der Villa, die im Zentrum der Ortschaft liegt, dient auch als Marktplatz. Auf der rechten Seite wird er von einem runden Säulengang begrenzt. In den Räumen darüber haben die Herrschaften früher ihre noblem Gäste untergebracht, die so einen besonders schönen Ausblick direkt auf die Villa hatten.
Die Gartenanlage kam erst im 19. Jahrhundert dazu. Zu sehen gibt es viel Wiese, einige kleine Kanäle und einen See mitsamt begehbarer Hügelinsel mit Christusstatue: Cristo delle Acque.
Bei unserer Führung durch die Räumlichkeiten gab sich die freundliche Dame alle Mühe, die Besichtigung für Valentina und Victoria so interessant wie möglich zu gestalten. So durften sie zum Beispiel wie bei einer Schnitzeljagt die nächsten Räume oder Treppenaufgänge suchen. Besonders spannend war der Klopftest zweier identischer Türen. Die eine klang normal wie Holz. Die andere war allerdings nur auf die Mauer gemalt und klang entsprechend anders! Natürlich hatte die Fremdenführerin auch ein paar interessante Details für die Erwachsenen. So erzählte sie zum Beispiel, dass die Villa im 2. Weltkrieg den Deutschen in die Hände fiel. Beeindruckt von deren Schönheit wurde sie aber nicht zerstört – die Soldaten wollten lieber selber darin feiern.
Sehr beeindruckend ist die Vielfalt der einzelnen Räume.
Das Zentrum der Villa ist klassischerweise ein schicker Ballsaal. In der Decke befindet sich eine große Öffnung. Oberhalb der umlaufenden Galerie, für die Gäste unten im Saal unsichtbar, konnten die Musiker Platz nehmen und spielen. Die gewölbte Decke fungierte als Tonverstärker, so dass dieses architektonische Dolby-Surround-System für ein ganz besonderes Klangerlebnis sorgte.
Die Wand eines anderen Saales ist komplett mit prunkvollem Stuck verzieht, die barocke Ausstattung tut ihr übriges. Es gibt eine große Bibliothek, Räume mit gemalten und mit echten und Mosaiken, einen sehr schicken weißen Spiegelsaal und ein liebreizendes Mädchen auf einem Jugendstilfresko, das an der Decke zwischen den Wolken schaukelt. Toll ist auch die Muschelgalerie im Untergeschoss, deren Wände komplett mit Muschelmosaiken verziert sind. Und das ist noch nicht alles, denn einige Bereiche der Villa werden noch restauriert und sind daher noch nicht zugänglich.
In dieser Villa treffen Barock und Jugendstil aufeinander.
Ein Mädchen in den Wolken, eine schicke Bibliothek und Neptun im Muschel-Mosaik
Kosten: 10€
http://www.villacontarini.eu/?lang=de
Villa Almerico Capra „La Rotonda”, Vicenza
Eines der wenigen Bauwerke, die mir vom „Einführungsseminar Architektur“ hängengeblieben sind ist die Villa Rotonda von Andrea Palladio. Um 1570 erbaut liegt sie auf einem sanften Hügel kurz vor Vicenza und ist ein makelloses Beispiel Palladios geometrischer Raffinessen. Dem quadratischen Bau sind auf allen vier Seiten identische Vorhallen im Stile antiker Tempelbauten vorgelagert, mit großen Treppen, korinthischen Säulen und Dreiecksgiebeln. Der Zentralbau wird von einer flachen Kuppel gekrönt. Auch innen ist alles nach perfekten Proportionen angelegt. Zentrum ist auch hier ein großer Saal mit Freskenausmalung, alle anderen Zimmer sind rundherum symmetrisch angeordnet.
Durch die hübsche Lage hat man schon von Weitem einen schönen Blick auf die Villa, aber auch der Ausblick von ihr in alle Richtungen ist bezaubernd.
Leider ist die Villa nur in den Sommermonaten und an bestimmten Tagen geöffnet. Wir waren im falschen Moment da und durften nur in den kleinen Garten, der allerdings nichts gemein hat mit den großen Parks zum Lustwandeln anderer Villen. Trotzdem lädt er mit viel Grün und einigen Statuen zum Verweilen ein. Entlang des Eingangs befinden sich die Stallungen und Wirtschaftsgebäude.
Schon allein um die Außenarchitektur einmal selbst zu sehen, hat sich der Besuch gelohnt. Goethe war offenbar derselben Meinung, er schrieb 1786 sogar dazu: „Vielleicht hat die Baukunst ihren Luxus niemals höher getrieben.“
Kosten: 5€ Garten, 10€ Garten + Villa
https://www.villalarotonda.it/visita/
Villa Valmarana ai nani, Vicenza
Einige Minuten Fußweg von der „Rotonda“ entfernt gelangt man gleich zum nächsten Augenschmaus. Wir sind auf unserem Rückweg von der Palladio-Villa zufällig drüber gestolpert. Einen Besuch der Villa Valmarana sollte man aber eigentlich unbedingt mit einplanen.
Hier hatten endlich auch mal die Kinder etwas Interessantes zu entdecken. Schon die seltsamen zwergengroßen Figuren auf der Mauer fanden sie lustig. Die waren wohl einst für die kleinwüchsige Tochter der Besitzer gebaut worden, um sie ein wenig aufzuheitern. Daher der Name ai nani – „zu den Zwergen“.
Besonders ist, dass sowohl Herren- als auch Gästehaus besichtigt werden können. Die eigentliche Villa wurde Mitte des 17. Jahrhunderts gebaut und von Gian Battista Tiepolo ausgemalt. Thematisch befassen sich die Fresken des Herrenhauses vor allem mit großen literarischen Themen und der antiken Mythologie. Das Gästehaus, gebaut im folgenden Jahrhundert, durfte fast vollständig sein Sohn Giovanni Domenico Tiepolo ausgestalten. Dabei durfte er sich in leichteren Szenen austoben. So kann man sich selbst zwischen Bauern wiederfinden, die in ländlichen Weiten Mittagspause machen, oder einen chinesischen Prinzen beim Gang zum Wahrsager begleiten.
Vor allem hier konnten die Mädchen lustige Details entdecken. Venedig im Karnevalsfieber, ein nackiger Babypopo oder ein Äffchen, das ein (aufgemaltes) Treppengeländer hochklettert.
Die beeindruckenden Fresken hätte ich mir gern noch einmal in Ruhe ohne Kinder angesehen. Außer Fresken gibt es auch originale Möbel und Kleidungsstücke zu bewundern. Ein idyllisches Café lädt zum Verweilen ein.
Der Besuch hat sich in jedem Fall gelohnt und für die Kinder war es nicht zu langweilig.
Kosten: 11€
Looking at the fireplace picture very nice design overall. Janelle Gamaliel Gallenz