Unser Haus befindet sich in einer relativ ruhigen Wohngegend. Die Haustür geht nicht auf die eigentliche Straße hinaus, sondern auf eine Einfahrt, eine kleine Sackgasse, die zu den Garagen dreier angrenzender Wohnhäuser führt. Somit haben wir quasi unsere private Spielstraße, die wir auch gern nutzen. Wir öffnen dann unsere Garage und die Kinder holen alles zum Spielen heraus: ihre Räder, einen Ball oder alte Umzugskartons unserer Vormieter. Am liebsten malen sie mit Kreide.
Als wir gleich im September zum ersten Mal den Asphalt mit Blumen, Häusern und Männlein verzierten, waren die Anwohner stark beeindruckt. So etwas sieht man hier nämlich nie – nicht mal auf den Spielplätzen. Die Kinder sollen ja bitte schön nicht auf dem Boden herumlungern und sich dreckig machen! Eine Nachbarin hatte sogar Sorge, ob das überhaupt erlaubt sei. Alle anderen lächelten den Kindern aber freundlich zu oder staunten über die Gemälde. Seitdem haben wir schon ganze Städte erschaffen, Fahrrad-Parcours veranstaltet und Buchstaben geübt. Auch sehr beliebt: „Das ist das Haus vom Nikolaus, mit Kirchturm und Toilettenhaus.“ Die vorbeikommenden Anwohner freuen sich über die bunte Straße und loben die Mädchen für ihre Malkünste.
Als wir einmal am Hüpfekästchen-Springen waren, kam gerade ein älterer Herr aus dem Nachbarhaus heim. Er schaute uns begeistert zu und fragte mich, woher um alles in der Welt ich dieses Spiel kenne – er habe es das letzte Mal vor 60 Jahren gesehen!
Eine Woche vor Weihnachten hing nun eine Geschenketüte an unserer Garagentür. Darin eine Schokolade, bunte Kreide und eine Grußkarte: „Für die kleinen Künstlerinnen unserer Straße, denen wir viele wunderschöne Bilder zu verdanken haben.“ Das Geschenk kam von einer Nachbarin aus dem gegenüberliegenden Haus, die von ihrem Balkon direkt auf den Asphalt schauen kann. Die Mädchen haben sich riesig gefreut, denn die Kreide ist immer viel zu schnell alle. Als Dankeschön malten sie ihr ein großes, buntes GRAZIE unter den Balkon – mit Herz und Rüschenverzierung, versteht sich.