Mai 2019: Die Kunstbiennale quasi um die Ecke – die Chance lass ich mir nicht entgehen. Also nichts wie hin! Zwischen Kinder in die Schule bringen und Kinder wieder abholen blieb allerdings gar nicht so viel Zeit. Also musste ich so ein Vorhaben gut planen.
Mit zwei Freunden bin ich also gleich morgens mit dem Zug nach Venedig gefahren. Bis zum Biennale-Gelände war es dann noch einmal eine halbe Stunde Fahrt mit dem Vaporetto, den öffentlichen Verkehrsmitteln zu Wasser. Die Eintrittskarten hatten wir zum Glück schon online gekauft und mussten nicht anstehen. Völlig überlaufen war es morgens um 10 aber sowieso noch nicht.
Vier Stunden hatten wir zur Verfügung, und die wollten wir so gut wie möglich nutzen. Also hatten wir uns vorgenommen, möglichst viel der Giardini zu sehen. Giardini, die Gärten, so heißt das Gelände der Biennale, auf dem sich die 28 Länderpavillons befinden. Der zweite Bereich, das Arsenale, ist mit einzelnen länderunabhängigen Kunstwerken noch einmal ziemlich weitläufig. Dass ich das nicht auch noch schaffen würde, war von Anfang an klar. Dort wollten die anderen beiden am Nachmittag ohne meinen Zeitdruck hingehen. Außerdem sind während der Biennale über die ganze Stadt verteilt noch einzelne Länderpavillons in öffentlichen Gebäuden untergebracht, die in den Giardini keinen Platz mehr hatten. Die zu besuchen war für mich an diesem Tag natürlich auch völlig unmöglich. Auf der Hinfahrt konnten wir aber immerhin schon einige frei am Kanal stehende Kunstwerke entdecken.
Einmal angekommen, waren die nächsten vier Stunden dann ein einziger rauschender Kunsttrip. Die Eindrücke des letzten Pavillons gerade noch verarbeitend stolperten wir schon in die nächsten dunklen Räume. Dabei konnte man kaum aufsaugen, was es alles zu sehen gab. Tintenfische und Puppenköpfe, gefangen in einem Meer aus Kunstharz. Trump, der sich durch eine optische Täuschung hinter dem Gesicht eines heulenden Bengels verbirgt. Tanzvideos einer Hiphop-Gruppe. Überdimensionale Wasserpflanzen aus Feinstrumpfhosen. Verstörende Infernoszenen in einem martialisch beleuchteten Keller mit lebensgroßen ratternden Höllen-Hampelmännern. Gehäkelte Korallenriffe. Zersägte Motorräder und auseinandergenommene Kleinflugzeuge.
Viele Kunstwerke wurden von Geräuschen oder einer Lichtperformance begleitet oder bewegten sich. Traurig und mitleiderregend versuchte ein großer Roboterarm, immer wieder eine blutrote Flüssigkeit an sich heranzuschieben – vergeblich. Kopfschmerzen bekam man in einem Raum, in dem computergesteuerte Luftschläuche mehrere verstimmte Blockflöten zum Klingen brachten. Generell war es in diesem Jahr anscheinend Trend, mit überirdisch hohen Tönen und möglichst spannenden Dissonanzen zu arbeiten. Manche Pavillons waren stattdessen sehr ruhig und im Gegensatz zu den anderen fast langweilig ausgestattet, wie zum Beispiel der Deutsche Pavillon. Viele spalteten die Gemüter und waren einfach nicht jedermanns Geschmack.
Bestandteil vieler Beiträge waren längere Filme. Das fand ich persönlich schade. Einen fünfzehnminütigen Film anzusehen finde ich noch in Ordnung. Um sich aber ganz in Ruhe eine Stunde oder mehr vor ein Video zu setzen, dafür muss man wohl mindestens eine Tageskarte gekauft haben. Natürlich ist auch das Filmemachen eine Kunst. Aber dafür gibt es die Filmbiennale.
Nach den vier Stunden war mein Kopf dann ordentlich voll und ich musste das Gesehene erst einmal verarbeiten. Mit dem ein oder anderen Kunstwerk hätte ich mich gern noch etwas intensiver auseinandergesetzt. Aber überhaupt einmal einen Eindruck dieser Kunstausstellung zu bekommen war sehr spannend.