Vor unserem Italienjahr bekam ich oft die Frage gestellt: „Die Kinder, können die denn schon Italienisch?“ Nein, tatsächlich hatten die beiden vorher wenig Kontakt mit der Sprache. In Italien sollten sie aber in eine ganz normale Schule und Kita gehen, nicht in die Deutsche Schule oder die International School. Es hat mir also schon einige Bauchschmerzen bereitet, sie da völlig ins kalte Wasser zu werfen. Also habe ich überlegt, wie ich sie ein bisschen mit der neuen Sprache bekanntmachen kann.
Ich selbst wollte während meiner Elternzeit mein eingestaubtes Theorie-Italienisch wieder ein bisschen auffrischen, und so hatte ich schon fast zwei Jahre vorher die Idee, einen deutsch-italienischen Eltern-Kinder-Treff zu initiieren. Aus der Kita und der Uni kannte ich drei italienische Familien mit kleinen Kindern. Also haben wir uns ein paar Mal in kleiner Runde getroffen und dann sogar überlegt, den Kreis noch zu erweitern. Unmittelbar in meiner Dresdner Nachbarschaft gab es ein Stadtteil-Vereinshaus, das sehr offen war und uns als offizielle neue Gruppe aufgenommen hat. So konnten wir auch über deren Werbe-Netzwerke andere interessierte Familien erreichen. Tatsächlich kamen zu den ersten Treffen um die acht Familien mit italienischem Bezug. Gesprochen wurde meistens Italienisch, was mir richtig Spaß gemacht hat. Leider wurden wir bald immer weniger: eine Mutter war hochschwanger, eine andere zog weg, die nächsten waren im Winter dauerkrank, andere konnten an dem festgelegten Wochentag nicht. So saß ich mit meinen Kindern auch manchmal ganz allein da. Weil ich dem Stadtteilhaus aber Raummiete zahlen musste, lösten wir das Treffen bald wieder auf und verabredeten und nur noch ab und zu mit den enger befreundeten Familien. Bei den Mädchen ist von den Treffen allerdings nicht so viel hängengeblieben. Sie spielten meist für sich auf Deutsch, während ich mich mit den Eltern unterhielt. Vielleicht haben sie dabei aber zumindest schon ein Gefühl für den Sprachklang entwickelt.
Als nächstes wollte ich es mit italienischen Kinderbüchern versuchen. Einige Monate vor unserer Abreise entdeckte ich in der Bibliothek ein italienisches Lern-Wimmelbuch mit vielen Begriffen zu verschiedenen Bereichen des alltäglichen Lebens. Die Bilder waren für die Mädchen allerdings natürlich viel spannender als die Begriffe. Das hat also auch nichts gebracht.
Ich habe mich aber auch davor gesträubt, den Mädchen selber Italienisch beizubringen. Schließlich spreche ich längst nicht akzent- und fehlerfrei. Von unseren kleinen Lektionen während des Essens (piatto – Teller, bicchiere – Becher, pane – Brot) ist eigentlich nur ein einziger Satz tief in die Kinderhirne vorgedrungen: „Basta la pasta!“.
Nächster Versuch: Computer und Handys ziehen Kinder bekanntlich magnetisch an. Wie wäre es da nicht mit einem kindgerechten Sprachlernspiel? So etwas zu finden war allerdings gar nicht so einfach. Sprachlernspiele und –programme gibt es viele. Die sind aber entweder für Jugendliche oder Erwachsene, mit viel zu vielen ablenkenden Geräuschen und Effekten vollgepackt oder sehr teuer – und dann trotzdem nicht unbedingt gut. Einige Euros habe ich in ein enttäuschendes Spiel mit falschen Vokabeln gesteckt. Dass es auf Italienisch die Unterscheidung zwischen gefrorenem Wasser (ghiaccio) und Speiseeis (gelato) gibt, sollte man schon beachten! Letztendlich lud ich mir eine Sprachlern-App für Kinder herunter, die in relativ einfachen Spielen zumindest einige Grundvokabeln beibringt und nicht zu nervige Musik beinhaltet.
Die Recherche zu kindgerechten Sprachlern-Programmen konnte ich außerdem gleich sinnvoll als Seminarbeitrag nutzen. (Digitaler Fremdspracherwerb für Kinder)
Allerdings war ich auch mit dieser App nicht so richtig zufrieden. Stattdessen hatte ich viele Ideen im Kopf, wie ein richtig schönes und sinnvolles Sprachlern-Computerspiel für Kinder aussehen könnte. Halb im Scherz habe ich davon einem Freund erzählt, der Informatiker ist. Seine Reaktion war: „Das machen wir!“ Wir haben noch zwei Freundinnen ins Boot geholt, die für das Spiel wundervolle Bilder malen wollten. Ein richtig brauchbares Konzept zu entwickeln hat richtig Spaß gemacht. Ich überlegte mir eine Wohnung, in der man viele der Gegenstände anklicken und mit einigen auch etwas machen kann: Blumen gießen, einen Kuchen backen, jemanden verschiedene Sachen anziehen. Wichtig war mir vor allem, dass Kinder quasi nebenbei die Vokabeln in ganzen Sätzen hören, die sich auch wiederholen. Selbst einfache Vokabeln wie die Begrüßung oder ein Lob merkt man sich besser, wenn man einen Kontext dazu hat. Seltsamerweise werden solche kleinen Wörter in anderen Programmen oft einfach weggelassen. Außerdem soll man sich alle Sätze auch auf Deutsch anhören können. Wir haben also alle Texte mit einer deutschen und einer italienischen Muttersprachlerin aufgenommen. Als dann die ersten Bilder gemalt und unser Informatiker ein bisschen herumgebastelt hatte, war vor allem bei mir die Freude riesig: man konnte tatsächlich Dinge anklicken, sie bewegen und sich dazu die Sätze anhören!
Das Spiel existiert bisher erst in einer ganz simplen Anfangsversion, bei der man kaum etwas machen kann. Die kam aber schon mal richtig gut bei den Mädchen an. Das Spiel vor unserer Abreise fertigzubekommen war allerdings reine Utopie. Die beiden sind also doch quasi ohne Vorkenntnisse in den italienischen Alltag geschubst worden. Zum Glück verstehen sich Kinder auch ohne Sprache einfach irgendwie. Die vielen Vorbereitungsbemühungen hätte es also gar nicht unbedingt gebraucht. Das Spiel wollen wir aber auf jeden Fall noch fertig gekommen. Dann können die Mädchen es anschließend noch nutzen, um zumindest nicht alles wieder zu vergessen. Und wer weiß, vielleicht können wir mit dem fertigen Spiel noch vielen anderen Kindern beim Sprache lernen helfen?
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