In Padua bin ich ja vor allem zum studieren – und das erste Semester ist jetzt geschafft! Gegen die TU Dresden ist die Uni hier nicht nur altehrwürdig und traditionsreich, sondern es gibt auch ein paar Unterschiede im Studienalltag und bei den Prüfungen.
Schon als ich mir Kurse für das Semester herausgesucht habe, war ich etwas verwirrt. Während ich bisher je Kurs normalerweise eine Doppelstunde pro Woche in der Uni verbracht habe, deckt hier jeder Kurs fünf Wochenstunden ab. Somit hatte ich gleich 15 Stunden Uni pro Woche, obwohl ich nur drei Kurse belegt habe. Das war doch ein gehöriger Unterschied. Dafür gehen die Kurse dann aber nur zwei Monate lang. Anschließend, von November bis Februar, ist Lern- und Prüfungszeit.
Die Kurse finden fast alle als klassische Vorlesungen statt. Seminare, bei denen sich alle Studenten aktiv beteiligen, gibt es kaum. Die Dozenten haben sich aber zumindest in meinen geisteswissenschaftlichen Kursen bemüht, das Ganze etwas lockerer zu gestalten. In „Mittelalterliche Buchillustration“ durften wir Vorträge halten, um dafür eine kürzere Abschlussprüfung machen zu können. Das wurde auch rege genutzt, ich habe zum Beispiel ein Stundenbuch aus dem 15. Jh. vorgestellt. In „Geschichte des Kunsthandwerks“ lud die Dozentin zwei befreundete Goldschmiede ein, die über ihre Arbeit berichteten und auch Material und fertige Schmuckstücke zum Vorzeigen mitbrachten. In „Geographische Herkunft von Lebensmitteln“ machten wir eine Weinverkostung, bei der wir die Weine weniger nach dem Geschmack sondern mehr nach ihrer Herstellungsgeschichte bewerten sollten. Die Stimmung stieg mit jedem Glas und niemand störte sich daran, dass Valentina, die ich krankheitsbedingt mitbringen musste, alle Grissini aufaß, die eigentlich zur Geschmacksneutralisierung gedacht waren.
Vor allem gab es aber in allen Kursen mehrere Exkursionen, teilweise in nahe gelegene Museen und Bibliotheken, einige sogar als ganze Tagesausflüge nach Rom oder Bologna. An denen konnte ich allerdings nicht teilnehmen. Nachmittags ist Kinderzeit.
Für die italienischen Dozenten und Kommilitonen war es sehr ungewöhnlich, dass eine Studentin Kinder hat. Da die italienischen Studenten meist direkt nach der Schule mit der Uni beginnen, sind sie noch sehr jung und wohnen auch häufig noch bei den Eltern. Familienplanung ist da noch keine Frage. Daher gibt es kaum Förderungen oder Unterstützungen für studierende Eltern, was natürlich wiederum nicht gerade zum Kinderkriegen anregt. Von der TU Dresden bin ich in Sachen Familienfreundlichkeit dagegen ziemlich verwöhnt. Dafür waren meine Mädchen hier etwas richtig Besonderes. Wenn ich Victoria oder Valentina mal mit in die Uni nahm, wurden sie sehr freundlich aufgenommen. Besonders die beiden Kunstgeschichts-Dozentinnen schienen richtig stolz auf ihre besonderen Kursteilnehmer zu sein. Da wird der kleinen Sonderstudentin nach der Vorlesung auch gern mal eine Heiße Schokolade spendiert.
Stolz ist man auch auf seine traditionsreiche Universität. Gegründet wurde sie im Jahr 1222 und ist damit eine der ältesten Universitäten Europas und die drittälteste Italiens. Hier wurde 1545 der älteste Botanische Garten der Welt gegründet, 1594 das erste ständige anatomische Theater gebaut, beides noch vollständig erhalten. Hier dozierte um 1600 achtzehn Jahre lang Galileo Galilei. Hier erhielt Elena Lucrezia Cornaro Piscopia 1678 als erste Frau weltweit ihren Doktortitel. Hierher kamen schon ab dem 15. Jahrhundert Studenten aus ganz Europa, um an diesem weltoffenen Ort zu lernen. Das hat sich bis heute nicht geändert, und entsprechend lautet das Motto der Universität seit dem 16. Jahrhundert:
Universa Universis Patavina Libertas – Völlige Freiheit für alle an der Universität von Padua.